Produktion
28.01.2021

BGM Grundlagen: Die Arbeitsplatzanalyse im Industrie- und Produktionsbereich

Erfolgreiche Maßnahmen für ein gesundes Arbeitsumfeld

Eine Arbeitsplatzanalyse im Produktionsbereich trägt entscheidend dazu bei, erfolgreiche Maßnahmen im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements zu identifizieren. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen, warum eine gründliche Analyse Grundlage für den Erfolg des BGM ist und wie aus der Analyse die richtigen Maßnahmen abgeleitet werden. Darüber hinaus bieten wir praktische Tipps für eine effektive Umsetzung und geben Ihnen konkrete Beispiele aus der Praxis an die Hand.

  1. Warum eine Arbeitsplatzanalyse wichtig ist 
  2. Die Analyse
  3. Maßnahmen aus der Arbeitsplatzanalyse ableiten 

 

1. Warum eine Arbeitsplatzanalyse wichtig ist

Durch die BGM-Betrachtung des Arbeitsplatzes im Industriebereich ergeben sich vielfältige Möglichkeiten zur Verbesserung Ihres Unternehmens. Einige Aspekte sind gesetzlich vorgeschrieben, während andere freiwillig umgesetzt werden können. Beide bieten Potenzial, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Zufriedenheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu steigern. Dabei können Maßnahmen wie die Neugestaltung der Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe, ein reibungsloser Informationsfluss und eine verbesserte interne Kommunikation im Unternehmen und in den Abteilungen hilfreich sein.
Als Unternehmer übernehmen Sie mit diesen Veränderungen nicht nur gesellschaftliche Verantwortung, sondern profitieren auch selbst davon. Die Fehlzeiten der Mitarbeiter reduzieren sich und ihre Motivation steigt. Mitarbeiter, deren Gesundheit und Wohlbefinden geschützt werden und die aktiv informiert und eingebunden werden, sind weniger geneigt, den Job zu wechseln. Zudem arbeiten sie konzentrierter und liefern qualitativ hochwertigere Arbeit ab. 

Die direkten positiven Auswirkungen einer erfolgreichen Arbeitsplatzanalyse und Neugestaltung im Rahmen des BGM sind:

  • Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeiter (besonders wichtig in Zeiten des demografischen Wandels und Fachkräftemangels)
  • erhöhte Produktivität bei hoher Qualität der Arbeit
  • geringere Belastung der Mitarbeiter durch reduzierte Krankheitszeiten
  • bessere Planbarkeit betrieblicher Prozesse durch weniger Krankmeldungen
  • niedrigere Personalkosten aufgrund geringerer Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
  • zufriedenere Kunden durch qualitativ hochwertige Produkte und zuverlässige Liefertermine

 

Vorurteile gegenüber der BGM-Umsetzung ausräumen

Gerade im Industriebereich haben Geschäftsführer, Bereichsleiter oder auch einzelne Mitarbeitende Bedenken, ein betriebliches Gesundheitsmanagement einzuführen. Sie befürchten, dass sie möglicherweise nicht über ausreichendes Wissen verfügen und die Maßnahmen zeitaufwändig und kostspielig sind, ohne tatsächlich einen Nutzen zu bringen. Doch der ROI eines gut ausgeführten BGM kann hoch sein und dem Unternehmen neuen Aufschwung bringen. 

Es gibt allerdings mehrere strukturelle Herausforderungen, die bei der Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements am Produktionsarbeitsplatz auftreten können: 

  • Eine fehlende klare Struktur und mangelnde Maßstäbe für die Umsetzung führen zu einem Ungleichgewicht und einer ineffizienten Verteilung der Ressourcen, was das Gesundheitsmanagement teurer und zeitaufwendiger macht als nötig. 
  • Die Geschäftsführung und der Gesundheitszirkel müssen die neu geschaffenen Kompetenzen und die Kommunikation im Unternehmen gut koordinieren. 
  • Die Mitglieder des Gesundheitszirkels müssen sorgfältig nach ihren Fähigkeiten ausgewählt werden, um Konflikte oder Probleme aufgrund mangelnder Kompetenz zu verhindern. 
  • Es ist wichtig, dass die Maßnahmen nicht von einzelnen Personen oder Strukturen abhängig sind, sondern als ganzheitliche Grundlage gelten, die auch bei betrieblichen Umstrukturierungen oder Personalwechseln weiterhin funktioniert. 
  • Eine isolierte Überprüfung der Maßnahmen erkennt mögliche Fehler nicht rechtzeitig genug, was dazu führen kann, dass fehlerhafte Maßnahmen keine Verbesserungen bringen oder sogar zu fehlerhaften Arbeitsabläufen führen. 
  • Ohne eine Erfolgsmessung fehlen objektive Fakten und Belege dafür, ob das Gesundheitsmanagement tatsächlich positive Auswirkungen hatte.

Um diese potenziellen Fehlerquellen auszuschließen, ist es wichtig, ein integratives Konzept für ein betriebliches Gesundheitsmanagement zu erstellen. Dieses Konzept sollte tief in die Unternehmensstruktur integriert sein und den Arbeitsalltag in allen Bereichen begleiten, um seine positive Wirkung zu entfalten. Um die wichtigsten Ansatzpunkte für das Gesundheitsmanagement am Industriearbeitsplatz zu identifizieren, sollte daher neben einer Mitarbeiterbefragungen eine gründliche Arbeitsplatzanalyse und -bewertung vorgenommen werden. Eventuell (vor allem bei hohen Widerständen in der Belegschaft) kann es dafür sinnvoll sein, eine externe Fachkraft hinzuzuziehen, die gemeinsam mit Ihnen die Bedingungen analysiert und auf Verbesserungsmöglichkeiten hinweist.

 

2. Die Analyse

Bei der Arbeitsplatzanalyse im Industriebereich gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Arten von Arbeitsplätzen, die jeweils spezifische Maßnahmen zur Verbesserung erfordern. Egal, wie vertraut Ihnen ein Arbeitsplatz bereits sein mag, es ist wichtig, ihn mit einem unvoreingenommenen Blick zu betrachten und sorgfältig zu untersuchen. Neben den Arbeitsabläufen sollten Sie verschiedene andere Faktoren in Ihre Analyse einbinden.

 

Analyse der Aufgaben

Industriearbeitsplätze unterscheiden sich in ihrer Ausgestaltung je nach Art der Tätigkeit. Dazu gehört anderem der Grad der Automation. Manche Arbeitsabläufe werden vollständig manuell durchgeführt, während in anderen Fällen Roboter die Mitarbeiter unterstützen oder diese lediglich die Arbeit der Maschinen überwachen. An allen Arbeitsplätzen ist es wichtig, dass die Bewegungen ergonomisch gestaltet sind und keine gesundheitsschädigenden Haltungen erzwungen werden. Eine Aufgabenanalyse kann hier Aufschluss darüber geben, wo Verbesserungen erforderlich sind.

 

Sicherheitsanforderungen

Der Schutz der Mitarbeiter vor Strahlen und Giftstoffen ist in den Arbeitsschutzvorschriften festgelegt und entsprechende Maßnahmen sollten bereits getroffen worden sein. Bei der Arbeitsplatzanalyse geht es darum, mögliche Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Die Einschätzungen der Mitarbeiter, die an den Arbeitsplätzen tätig sind, bilden eine wichtige Grundlage für die Bewertung der Arbeitsbedingungen.

 

Analyse der Anforderungen

Bei der Arbeitsplatzanalyse steht nicht nur die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter im Fokus, sondern auch die Gewährleistung einer bestimmten Qualität und Menge an Produkten innerhalb einer definierten Zeit. Dafür müssen die einzelnen Arbeitsschritte und Abläufe optimal aufeinander abgestimmt sein. Eine Anforderungsanalyse kann zeigen, welche modernen Technologien dabei helfen können, die Produktionsziele einzuhalten oder sogar zu übertreffen.

 

Analyse der Umgebung

Neben der Ausstattung spielen auch Umgebungsfaktoren eine entscheidende Rolle für die Förderung des Wohlbefindens am Arbeitsplatz in der Industrie. Ausreichendes Licht, um die Arbeitsschritte ohne übermäßige Körperhaltungen durchführen zu können, sowie eine angemessene Raumtemperatur, die den durchgeführten Tätigkeiten entspricht, tragen dazu bei. Bei körperlicher Arbeit ist eine niedrigere Raumtemperatur erforderlich im Vergleich zu Arbeitsplätzen, an denen weniger körperliche Bewegung erforderlich ist.
In Betrieben, insbesondere in der Produktion, kann es sehr laut werden. Wenn Mitarbeiter regelmäßig starkem Lärm ausgesetzt sind, kann dies negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben. Als Unternehmer sind Sie verpflichtet, Maßnahmen zur Lärmdämmung und zum Lärmschutz umzusetzen und den Mitarbeitern ausreichend Ruhepausen in einer ruhigeren Umgebung zu ermöglichen. Vorsorge gegen die Auswirkungen von Vibrationen sollte ebenfalls getroffen werden.

 

Rollenanalyse der Mitarbeitenden

Eine Arbeitsplatzanalyse sollte niemals isoliert betrachtet werden, da ein Arbeitsplatz immer Teil einer Linie oder eines Netzwerks von Arbeitsplätzen ist. Jeder Arbeitsplatz ist eng mit den vorherigen und nachfolgenden Schritten verbunden, und es ist wichtig, dass die Materialien zur richtigen Zeit von einem Platz zum anderen gelangen. Eine sorgfältige Koordination ist hier erforderlich, um Leerlaufzeiten und Überlastung einzelner Mitarbeiter zu vermeiden. Neben einer Arbeitsanalyse kann eine Rollenanalyse der Mitarbeiter in diesem Zusammenhang hilfreich sein.
Die Arbeitsplatzanalyse wird an bestehenden Arbeitsplätzen durchgeführt, um sie im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements zu optimieren. Die gewonnenen Erkenntnisse können jedoch auch für zukünftige Planungen und Erweiterungen wertvoll sein. Wenn Sie einen neuen Standort eröffnen oder zusätzliche Arbeitsplätze schaffen möchten, können Sie von den Daten profitieren, die Sie aus früheren Arbeitsplatzanalysen gewonnen haben. Diese Daten sollten sorgfältig dokumentiert und aufbewahrt werden.

 

3. Maßnahmen aus der Arbeitsplatzanalyse ableiten

Aus der Analyse Ihrer Arbeitsplätze ergeben sich die passenden Maßnahmen für die Gesundheitsförderung. Neben technischen Innovationen kommen dabei auch Möglichkeiten wie Sport- oder Massageangebote, gesünderes Essen, Neuregelung der Pausen, Ruheräume oder die ergonomische Ausstattung der Arbeitsplätze ins Spiel. 

Bei der Arbeitsanalyse und -bewertung können Sie eine Checkliste verwenden, um relevante Faktoren zu berücksichtigen:
Umgebungseinflüsse im Unternehmen: Helligkeit an den Arbeitsplätzen, eventuell notwendige Anpassungen der Beleuchtung, Temperaturen, Mitarbeiterbewegungen, Lärm und andere Faktoren, die die Konzentration beeinträchtigen oder Unwohlsein verursachen könnten.

  • Konkrete Tätigkeiten der Mitarbeiter: Aufgaben, die an den verschiedenen Arbeitsplätzen durchgeführt werden, Arbeitsabläufe, sinnvolle Ausrichtung des Arbeitsplatzes, Vermeidung gesundheitsschädlicher Bewegungen und langfristig negative Auswirkungen identifizieren.
  • Körperhaltung der Mitarbeiter: Sitzen oder Stehen, Wechsel zwischen unterschiedlichen Haltungen, knien, schweres Heben oder Arbeiten über Kopf. Mögliche Maßnahmen zur Minimierung von Belastungen oder Umverteilung auf andere Körperteile sollten in Betracht gezogen werden. Ergonomische Arbeitsstühle, die individuell einstellbar sind, können hier eine große Unterstützung sein. Auch geeignete Schulungen oder technische Hilfsmittel wie Exoskelette oder Roboter könnten zur Entlastung beitragen. Sport als Risikominimierungsoption sollte ebenfalls in Betracht gezogen werden.
  • Tisch- bzw. Arbeitshöhe und mögliche Veränderungen im Arbeitsverlauf: Vereinfachung von Arbeitsabläufen, regelmäßige Veränderungen der Arbeitshöhe, Anpassung an die Körpergröße der Mitarbeiter für ergonomische Arbeitsplätze. Höhenverstellbare Stühle sind dabei unverzichtbar. 
  • Arbeitsdauer und Pausenregelungen: Längen der Arbeitstage oder Schichten, ausreichende Pausen, mögliche Bedarfserhöhungen für bestimmte Tätigkeiten. Austausch des Arbeitsplatzes innerhalb eines Arbeitstages zur Vermeidung einseitiger Belastungen.

Bei der Implementierung Ihrer Maßnahmen nach der Arbeitsplatzanalyse sollten Sie auch branchenspezifische Besonderheiten berücksichtigen. In einigen industriellen Arbeitsumgebungen gelten möglicherweise strengere Regeln aufgrund intensiver Belastungen oder außergewöhnlicher Produktanforderungen.
Beispiele für spezifische Industriearbeitsplatzarten:

  • Steharbeitsplatz: Hohes Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen der Füße, Gelenke, Kreislauf- und Venenbeschwerden sowie Verspannungen des Oberkörpers. Arbeitsanalyse zur Erleichterung der Arbeit für die Mitarbeiter und Nutzung von Hilfsmitteln wie Stehhilfen zur speziellen Arbeitsplatzgestaltung.
  • Laborarbeitsplatz: Hohe Reinheitsstufe mit Anforderungen an Schutzkleidung und spezielle Arbeitsmöbel. Sicherstellung, dass Arbeitsplätze den vorgeschriebenen Anforderungen entsprechen und ergonomisch gestaltet sind, um Haltungsschäden zu vermeiden.
  • ESD- und Reinraum: Einhaltung strikter Regeln erfordert sorgfältige Überwachung. Auswahl geeigneter Schutzkleidung und Arbeitsutensilien sowie angemessener Arbeitsmöbel, um die Arbeit zu erleichtern.

Eine umfassende Arbeitsplatzbewertung hilft Ihnen dabei, die passenden Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Zusätzliche Aktionen sollten in Betracht gezogen werden, um den Anforderungen der verschiedenen Arbeitsplatzarten gerecht zu werden.

 

Beispiel aus der Praxis: Montagearbeitsplatz am Fließband in der Automobilindustrie

ParameterKonkrete Arbeitssituation
Analyse 
UmgebungseinflüsseIn der Halle ist es laut – ein Lärmschutz (Gehörschutz) für die Mitarbeitenden kann Abhilfe schaffen. 
Die Fahrzeuge werden am Fließband über den Mitarbeitenden entlanggefahren. Daher muss beim Licht so geplant werden, dass von unten eine gute Ausleuchtung gegeben ist, sodass die Angestellten beim Verschrauben den Unterboden der Fahrzeuge gut erkennen können. 
Die Mitarbeitenden sind in Bewegung. Daher sollte die Temperatur eher im unteren Wohlfühlbereich (18–21°C) liegen, anders als an Sitzarbeitsplätzen. 
TätigkeitDie Arbeit findet über Kopf statt, wo Verschraubungen am Unterboden eines Fahrzeugs angebracht werden, während es über den Arbeitsplatz hinweggeführt wird. Die Mitarbeitenden müssen einige Schritte zum Arbeitstisch gehen, Schrauben holen, sie auf den Schraubendreher setzen, zum Fahrzeug zurückkehren und die Schrauben an der passenden Stelle eindrehen.
KörperhaltungDie Körperhaltung der Mitarbeitenden ist aufrecht, sie müssen die Muskeln oft anspannen. Beim Aufnehmen der Schrauben nehmen sie die Arme herunter, für das Einschrauben strecken sie sie über Kopf. Dabei strecken sie den Hals und legen den Kopf in den Nacken, um den Unterboden im Blick zu haben. Während sie die Schrauben eindrehen, müssen sie einige Schritte machen, da das Fahrzeug am Fließband langsam über sie hinweggeführt wird. 

Tisch- bzw. Arbeitshöhe und ggf. Veränderungen der Arbeitsplatzsituation im Tagesverlauf:

 

Die Mitarbeitenden arbeiten im Gehen und Stehen, die Arbeitshöhe liegt über ihren Köpfen. Die Schrauben nehmen sie aus einem Behälter etwas in Hüfthöhe, der neben der Fließbandstrecke steht. Der Arbeitsplatz bringt also mehrere verschiedene Abschnitte mit sich, die unterschiedlich hoch sind und verschiedene Haltungen erfordern. 

 

Maßnahmen 
FlexibilitätDie Flexibilität an diesem Arbeitsplatz ist nicht ganz so gering wie an einem reinen Steh- oder Sitzarbeitsplatz, allerdings ist die Arbeit sowohl anstrengend als auch monoton: Der einzige Wechsel besteht hier im Heben und Senken der Arme beim Aufnehmen und Eindrehen der Schrauben und in den wenigen Schritten, die er bei den einzelnen Arbeitsschritten zurücklegt. Es ist nötig, dass der Mitarbeiter genügend Pausen in seinem Arbeitstag erhält, während der er sich setzen und sowohl seine Beine als auch seine Arme ausruhen kann.
Unterstützung des KörpersDie Mitarbeitenden erhalten an diesem speziellen Arbeitsplatz bei BMW Unterstützung durch ein Exoskelett. Dies wird um den Torso geschnallt und unterstützt die Bewegungen der Arme, während es gleichzeitig die Wirbelsäule stützt. Auf diese Weise werden die Armmuskeln geschont und die Mitarbeitenden können nicht in eine für die Wirbelsäule ungesunde Haltung verfallen. 
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