Ergonomie, Produktion
12.04.2018

So gestalten Sie ergonomische Produktionsarbeitsplätze (Teil 1)

Wer sich am Arbeitsplatz wohlfühlt, ist entspannt und produktiv. Eine ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen trägt enorm zum Wohlbefinden bei. Doch in der Industrie stellt dies eine besondere Herausforderung dar. Vor allem im produzierenden Gewerbe variieren die Anforderungen an die Arbeitsplätze häufig und müssen je nach den auszuführenden Aufgaben unterschiedlich gestaltet werden. In diesem Artikel möchten wir Ihnen zeigen, warum die ergonomische Gestaltung in der Produktion dennoch wichtig ist und wie Sie langfristig die Zufriedenheit und Effektivität Ihrer Mitarbeitenden steigern können.

 

Ergonomie – was bedeutet das eigentlich?  

Ergonomie ist die Lehre der optimalen Bedingungen am Arbeitsplatz. Diese Definition umfasst jedoch ein komplexes Konzept der Arbeitsplatzgestaltung. Der Begriff "Ergonomie" besteht aus den griechischen Wörtern "ergon" für "Arbeit" und "nomos" für "Regel". Das Ziel der ergonomischen Arbeitsgestaltung besteht darin, den Arbeitsplatz räumlich und zeitlich so zu optimieren, dass die Ermüdung der Arbeitenden minimal ist und arbeitsbedingte Schädigungen vermieden werden. Insbesondere in produzierenden Unternehmen sollten sich Arbeitgeber der physischen Belastungen bei der Arbeit bewusst sein, da die körperlichen Anforderungen in der Produktion besonders hoch sind.

 

Warum ergonomische Arbeitsplatzgestaltung zum Unternehmenserfolg führt

Häufig wird Ergonomie ausschließlich mit der Sitzposition am Schreibtisch in Verbindung gebracht. Doch die Ergonomie eines Arbeitsplatzes umfasst viel mehr als das. Sie erfordert ein Umdenken und eine Neuorientierung, bei der neben der Effizienz in der Produktion der Mensch als zentrales Element berücksichtigt wird. Es geht darum, alle Abläufe und Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz so zu gestalten, dass sie auf die Bedürfnisse und Arbeitsweise des Menschen ausgerichtet sind. Wenn dies geschieht, dann verbessert sich erwiesenermaßen die Gesundheit der Mitarbeitenden sowie ihre Motivation und ihre Energie. Statt falsche Sitzhaltungen kompensieren zu müssen, können sie sich voll und ganz auf ihre Aufgaben konzentrieren, machen weniger Fehler und sorgen so für eine höhere Qualität in der Produktion.

 

Was umfasst ein ergonomischer Arbeitsplatz?  

Die Planung eines ergonomischen Arbeitsplatzes, insbesondere im industriellen oder produktiven Umfeld, ist zeitaufwändig, aber äußerst wichtig. Sie hat etwas mit der Wertschätzung der Beschäftigten zu tun, mit Gesundheitsvorsorge, mehr Effizienz und einer höheren Qualität der Produkte. Ein ergonomischer Arbeitsplatz umfasst 

  • Arbeitsraum
  • Arbeitsmittel
  • Umgebung
  • Arbeitsabläufe 
  • Qualität des Arbeitsergebnisses

Jeder dieser Aspekte wirkt sich auf die anderen aus. Ein optimales Arbeitsergebnis kann nur erzielt werden, wenn alle anderen Faktoren optimal aufeinander abgestimmt sind. Der Arbeitsraum sollte gesundheitsfördernd gestaltet sein und entsprechend der Umgebung ausreichend Licht und ein angenehmes Raumklima bieten. Höhenverstellbare Tische und ergonomische Arbeitsstühle fördern die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten. Die Auswahl der Arbeitsmittel sollte so erfolgen, dass alle Arbeitsabläufe reibungslos verlaufen können. 

All diese Aspekte sind miteinander verknüpft und bilden das Konzept der Ergonomie. Eine langfristige und nachhaltige Unternehmensentwicklung profitiert von einer ergonomischen Gestaltung der Arbeitsplätze.

Dabei sollten Sie als Unternehmer darauf achten, nicht an den falschen Schrauben zu drehen, um die Effektivität Ihrer Mitarbeitenden zu steigern. Kurze Wege sparen zwar Zeit, können jedoch die Bewegungsmöglichkeiten der Beschäftigten einschränken. Bewegung ist insbesondere bei statischen Arbeitsabläufen oder einseitiger Belastung von großer Bedeutung. Die Zeit, die Ihre Mitarbeitenden während der Arbeit einsparen, kann durch Pausen zum Beine Vertreten oder sogar durch krankheitsbedingte Ausfälle wieder verloren gehen.

Wenn Sie den Arbeitsplatz so gestalten, dass die Angestellten regelmäßig minimale Bewegungen ausführen, ihre Körperhaltung wechseln oder sich im Raum bewegen, tragen Sie signifikant zu ihrer Gesundheit bei. Dabei ist natürlich das richtige Maß entscheidend. Während eines Arbeitsgangs sollten alle notwendigen Materialien in Reichweite sein. Nach Abschluss eines Arbeitsgangs kann beispielsweise ein Weg zu einem Regal in die Abläufe integriert werden, um den nächsten Arbeitsschritt vorzubereiten.

 

Ergonomie am Industriearbeitsplatz lohnt sich für jeden  

Die Umsetzung von Ergonomie am Industriearbeitsplatz kann zunächst sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer eine Herausforderung darstellen. Für das Unternehmen ist die umfassende Planung, Umstrukturierung und Anschaffung entsprechender Möbel und Geräte erstmal mit einer finanziellen Belastung verbunden. Aber auch Arbeitnehmer sehen die Umstellung möglicherweise skeptisch, da mehr Bewegung auch mehr Anstrengung bedeuten kann und überhaupt die alten Gewohnheiten in Frage gestellt werden sollen. 

Beide Seiten werden schon bald positive Auswirkungen spüren. Die Beschäftigten werden schnell feststellen, dass Rückenbeschwerden nachlassen, sie wacher und konzentrierter sind und trotz längerer Wege effizienter und motivierter arbeiten. Es ist wichtig, sie dazu zu ermutigen, die anfänglich körperlich etwas anspruchsvolle Eingewöhnungsphase zu überwinden. Sobald sich Muskeln und der gesamte Bewegungsapparat an die regelmäßige Abwechslung angepasst haben, werden sie sich allgemein wohler fühlen.

Und wenn die Belegschaft gesund, zufrieden und motiviert ist, profitiert auch das Unternehmen. Entspannte, wache Mitarbeitende sorgen für eine funktionierende Produktion. Und zwar eine langfristig effektivere Produktion mit hoher Qualität. Ergonomie verbindet Mitarbeiterzufriedenheit mit hoher Wirtschaftlichkeit und bietet einen Wettbewerbsvorteil. Unternehmen legen also mit einer ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung den Grundstein für nachhaltigen Erfolg. Darüber hinaus erleichtert ein ergonomischer Arbeitsplatz die Rekrutierung und Bindung von Fachkräften.

 

Exkurs: Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)  

Die Integration von Ergonomie am Arbeitsplatz führt zu einem signifikanten Mehrwert für Unternehmen und Mitarbeiter, wenn sie fest in der Unternehmenskultur verankert ist. Dadurch gehen Unternehmen einen Schritt in Richtung Zukunft, da betriebliches Gesundheitsmanagement für Arbeitnehmer immer wichtiger wird. Es ist oft ein entscheidendes Kriterium für hohe Mitarbeiterzufriedenheit. 

Die Umsetzung des Prinzips ergonomischer Arbeitsplätze und ihre nachhaltige Integration in den Arbeitsalltag ist dabei das wichtigste, aber nicht das einzige Aufgabengebiet des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Dieses umfasst auch das Angebot von Gesundheits- und Fitnesskursen, betrieblich organisierten Freizeitangeboten und einer Stärkung der Bindung an das Unternehmen. Ein gut funktionierendes betriebliches Gesundheitsmanagement weckt das Interesse potenzieller Mitarbeitender an Ihrem Unternehmen als Arbeitgeber.

 

Ergonomische Arbeitsplätze in der Produktion – vielfältig und anspruchsvoll 

In den meisten Produktionshallen gibt es unterschiedliche Arten von Arbeitsplätzen, von Arbeiten oberhalb der Herzhöhe über Stehplätze bis hin zu Sitzplätzen. Jeder Bereich hat individuelle Anforderungen an die ergonomische Gestaltung, die einzeln betrachtet werden müssen, um die spezifischen Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu berücksichtigen.

In den Bereichen Produktionsplanung und -steuerung sowie im Bereich Beschaffung und Einkauf wird häufig sitzend gearbeitet. In der Fertigung und Produktion hingegen gibt es viel Bewegung, oft einhergehend mit stehender Arbeit und einseitigen Belastungen. Menschen im Qualitätsmanagement führen sowohl stehende als auch sitzende Tätigkeiten aus und sind zum Beispiel über ein Werkstück gebeugt oder arbeiten am Schreibtisch. Mitarbeitende in der Logistik sind oft in Bewegung, aber auch einseitigen Belastungen oder Vibrationen und Lärm ausgesetzt.

Es ist wichtig, die ergonomischen Anforderungen jedes einzelnen Arbeitsplatzes zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die Arbeitsbedingungen den individuellen Bedürfnissen gerecht werden. Durch eine gezielte Ergonomie-Anpassung an die unterschiedlichen Arbeitsbereiche können potenzielle gesundheitliche Risiken reduziert und das Wohlbefinden und die Produktivität des Teams unterstützt werden.

 

Ergonomisches Arbeiten in der Produktionsplanung und -steuerung

Das Team in der Produktionsplanung ist verantwortlich für eine effiziente Planung bereits vor Beginn der Produktion. Es legt unter anderem die Losgrößen, Termine, Kapazitäten und die Produktionsreihenfolge fest. Durch eine optimale Losgrößenplanung am Arbeitsplatz können Lagerhaltungs-, Rüst- und Reinigungskosten minimiert werden. Die Produktionsplaner berechnen realistische Termine und planen die Abläufe so effizient wie möglich. Während dieser Planungsphasen verbringen die Mitarbeitenden viel Zeit im Sitzen am Arbeitstisch.

Die Produktionssteuerung überwacht und sichert die Durchführung der Aufträge während der Produktion. Sie greift bei Abweichungen korrigierend in den Plan ein, um angemessen darauf zu reagieren. Das Team in der Produktionssteuerung verbringt ebenfalls viel Zeit am Arbeitstisch, steht jedoch auch auf, um direkt Feedback aus der Produktionshalle zu erhalten oder vor Ort reagieren zu können.

Die allgemeinen Anforderungen an den ergonomischen Arbeitsplatz in der Produktionsplanung und -steuerung entsprechen denen anderer Arbeitsplätze. Die Arbeitshöhe sollte nach Möglichkeit an die Körpergröße angepasst sein. Alle benötigten Materialien sollten sich innerhalb des Greifraums in der richtigen Position befinden, bevor die Arbeit beginnt. Blickwechsel sollten ohne übermäßige Drehung des Kopfes auf gleicher Höhe und Entfernung möglich sein. Alle Arbeitsmittel müssen individuell einstellbar sein und ausreichende Beleuchtung muss gewährleistet sein.

Für die Produktionsplanung und -steuerung ist vor allem der Schreibtischarbeitsplatz von Bedeutung. Der Schreibtisch sollte eine Mindesthöhe von 80 cm haben und idealerweise individuell auf die Körpergröße angepasst werden können. Der Arbeitsstuhl sollte eine flexible Lehne haben, um den Rücken zu stützen und den Oberkörper bequem aufrecht zu halten. Sowohl der Stuhl als auch der Tisch müssen einstellbar sein. Die Knie und Ellbogen sollten einen rechten Winkel bilden, während die Füße flächig den Boden berühren und die Unterarme bequem auf den Tisch gelegt werden können. Der Bildschirm sollte in der richtigen Höhe positioniert sein, um einen Blickwinkel von 40° nach unten zu ermöglichen. Eine Federung im Stuhl kann zusätzlichen Komfort bieten, indem sie den Lastwechsel beim Hinsetzen auf die Wirbelsäule abfängt und den Rücken beim häufigen Aufstehen und Setzen unterstützt.

Ein Aufbewahrungssystem direkt am oder auf dem Schreibtisch sorgt dafür, dass alle benötigten Unterlagen in Reichweite sind. Die Maus und Tastatur sollten bequem mit abgelegtem Handgelenk bedient werden können. Eine angemessene Beleuchtung ist wichtig, wobei darauf geachtet werden sollte, dass keine Reflexionen vom Bildschirm entstehen. Pflanzen oder ein Luftbefeuchter können für ein angenehmes Raumklima sorgen.

 

Ergonomisches Arbeiten im Einkauf

Einkäufer und Einkäuferinnen arbeiten fast nur am Schreibtisch und sind dabei sehr kommunikativ. Sie führen Verhandlungen, sprechen viel und haben stets einen Blick auf die Zahlen. Für eine erfolgreiche Interaktion mit Menschen ist Bewegungsfreiheit hilfreich. Sowohl telefonische als auch persönliche Gespräche sind effektiver, wenn sie durch Gestik und Mimik unterstützt werden. Die grundlegenden Arbeitsbedingungen im Einkauf ähneln denen in der Produktionsplanung. Alle benötigten Materialien sollten leicht zugänglich und bequem zu bedienen sein. Das Telefon sollte immer griffbereit sein, idealerweise mit einem Headset, das es ermöglicht, sich frei zu bewegen. In Betracht gezogen werden könnte auch der Einsatz eines Hockers anstelle eines herkömmlichen Arbeitsstuhls. Durch die gewonnene Bewegungsfreiheit können die Mitarbeitenden erfolgreich Verhandlungen führen, ohne eingeschränkt zu sein.

Der ergonomische Arbeitsplatz im Einkauf ist auf große Bewegungsfreiheit ausgelegt und bietet dennoch eine bequeme Sitzgelegenheit, die in allen Bewegungen unterstützt und ausreichend Raum bietet. Alle Arbeitsmittel sollten verstellbar sein, um eine individuelle Anpassung zu ermöglichen.

 

Fazit: Ständig in Bewegung 

Im produzierenden Gewerbe bilden die Mitarbeitenden am Schreibtisch die Basis für den reibungslosen Ablauf in der Produktion. Das Qualitätsmanagement sorgt für die Einhaltung der Qualitätsstandards und die Logistik kümmert sich um den Verbleib der Produkte. Während Schreibtischarbeitsplätze bereits mit einfachen Ergonomie-Maßnahmen wie der richtigen Beleuchtung, einem ergonomischen Stuhl und einem höhenverstellbaren Schreibtisch ausgestattet werden können, benötigen Mitarbeitende in den Bereichen Produktion, Qualitätsmanagement und Logistik ein individuelles ergonomisches Konzept, das auf ihre spezifischen Tätigkeiten zugeschnitten ist. 

Im zweiten Teil dieser Reihe werden wir Ihnen zeigen, wie Sie ergonomische Arbeitsplätze für Mitarbeitende mit viel Bewegung, statischen oder einseitigen Belastungen einrichten können.

Wenn Sie Fragen haben zur Industrieergonomie oder sich gerne beraten lassen möchten bei der Einrichtung Ihrer Produktionsarbeitsplätze, nehmen Sie mit uns Kontakt auf. 

 

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